Der 150. Geburtstag des Männergesangverein „Eintracht“ ist ein berechtigter Anlass, einmal Rückschau zu halten auf dessen Wesen und Werden, Wirken und Wollen.
Im Jahre 1873, das Deutsche Reich war 2 Jahre alt, der Bürgermeister von Kahl hieß Müller und Kahl hatte 760 Einwohner, haben sich 24 Kahler Männer zusammengefunden, um Gesang und Geselligkeit zu pflegen. Da in Kahl noch kein Verein bestand, hatte man bald das Bedürfnis, einen Verein zu gründen. Der Stationsverwalter des Bahnhofs Kahl, Baumgaertel, verfasste mit einigen Männern die Statuten, heute Satzung genannt, welche dann dem königlichen Bezirksamt in Alzenau zur Genehmigung vorgelegt wurden.
Die noch vorhandenen genehmigten Schriftstücke charakterisieren in Stil und Form das damalige Zeitalter. Die Statuten sind in deutscher Schrift zügig gewandt und fein gestochen niedergeschrieben. Und so schrieb der erste Vorsitzende Baumgaertel: „Dem königlichen Bezirks-Amt erlaubt der gehorsamst Unterzeichnete Vorstand des sich hier gebildeten Gesangvereins, im Namen desselben, die diesem Verein zu Grunde gelegten Statuten mit der Bitte gehorsamst zu unterbreiten, demselben die bezirksamtliche Genehmigung geneigtest ertheilen zu wollen.“
Die ersten Chorproben fanden in den oberen Räumen des Gasthauses „Zum Bayerischen Hof“, Besitzerin Margarethe Lambertus, unter Leitung des Lehrers Seufert statt. Über die ersten 50 Jahre des Bestehens der „Eintracht“ sind nur spärliche Nachrichten überliefert und erhalten. Man pflegte, getreu der strengen Satzung, den 4-stimmigen Chorgesang, das gesellige Leben und Zusammensein, sang bei festlichen Anlässen der Kirche und der Gemeinde, spielte Theater und besuchte umliegende Sängerfeste.
In vielen Jahrzehnten seines Bestehens hatten meist Kahler Lehrer die gesangliche Leitung des Chores übernommen. Unter den bis heute 17 Chorleitern waren so bekannte Dirigenten wie Hauptlehrer Schilling, Dirigent König aus Großauheim und 27 Jahre Gregor Reinfurth, die dem Verein seine gesanglichen Höhepunkte bis 1955 beschieden haben. Einen herben Verlust musste der Verein hinnehmen mit dem Tode seines Dirigenten Jürgen Bischoff 1994. Unvergessen ist sein hervorragendes musikalisches Können und seine mitreißende Art, die er einmal mehr am Konzert zum 120-jährigen Bestehen 1993 unter Beweis stellte.
Nach diesem Zeitpunkt verpflichtete die Vorstandschaft einige jüngere Dirigenten, bis 2003 mit Gudrun Weber aus Karlstein erstmals eine Frau den Chor übernahm. Bei einem Männergesangverein immer noch eine Seltenheit, was aber im Falle der „Eintracht“ nicht zum Nachteil gereichte. Lag am Beginn des Vereinslebens das Wirken mehr im Bereich der Gemeinde, im geselligen Leben seiner Mitglieder in der Geborgenheit des Vereins, so wurden schon um die Jahrhundertwende bis zum heutigen Tage Kontakte mit Nachbarvereinen geknüpft und gefestigt; es wurden Wettstreite und Wertungssingen besucht und der Chorgesang im Männergesangverein gepflegt. Nach dem Ersten Weltkrieg waren die „Stuhlkonzerte“ – ohne Tische und Ausschank – begehrt. In den folgenden Jahren waren die Höhepunkte im kulturellen Leben von Kahl die Konzerte in der Festhalle mit beachtlichem Niveau. Feste und Feiern in der Gemeinde Kahl, seien es kirchliche oder weltliche, waren ohne Liedvorträge der Eintrachtsänger nicht zu denken. In den vergangenen Jahren schlossen sich Chorreisen an, u.a. nach Wetzlar, Bad Wildungen, Großarl, Leutasch. Die Teilnahme an Wettstreiten und Chorkonzerten ist hierbei selbstverständlicher „Sängerbrauch“.
Dabei lebt aber auch ein Gesangverein sein Eigenleben in seinen Chorproben, in seinen Familienfeiern und Grilltagen, bei seinen Wanderungen und Faschingsveranstaltungen, er nimmt aber auch mit seinem Liedgut Anteil an Freud und Leid seiner Mitglieder. So begeht und feiert der Männergesangverein „Eintracht“ seinen 150. Geburtstag und ist trotz seines Alters im Herzen jung und begeisterungsfähig geblieben. Freilich gab es in der Zeit seines Bestehens neben Höhen auch Tiefen und Krisen – hart lag neben dem Auf auch oft das Ab. Aber immer waren Männer da, welche sich einsetzten und Opfer brachten, damit der Verein weiterlebt. Die Verantwortlichen haben es verstanden, den Verein über alle Schwierigkeiten hinweg zu bringen. Dafür gilt es, zu danken. Die Sänger wollen weiterhin aufgeschlossen sein für das traditionelle Liedgut aus Heimat und Welt – wobei das zeitgenössische Repertoire nicht vernachlässigt wird. Und so wird die „Eintracht“ als ältester Kahler Verein auch in Zukunft ein belebendes Element in unserer kulturell aufgeschlossenen Gemeinde bilden.
Wir bedanken uns beim Heimat- und Geschichtsverein Kahl unter der Führung von Karl Becker für die wie immer hervorragend gelungene Jubiläumsausstellung im Heimatmuseum. Einen Blick in die über viele Jahrzehnte von unserem Ehrenvorsitzenden Theo Ries erstellte und ebenso mustergültig von Berthold und Sieglinde Bergmann weitergeführte Chronik können sie hier werfen.